1. Weder Ziel noch klares Konzept
Häufig ist der Anlass für die Einführung einer neuen Software, dass Unternehmen einen bestimmten „Schmerz“ in ihren Prozessen verspüren. In der Regel laufen die Geschäfte gut, sonst wäre das Geld für eine neuen Software nicht da, aber es gibt da ein oder zwei Stellen, an denen es einfach hakt.
Prozesse erst optimieren, dann digitalisieren
Sich mit der Idee, hie und da ein wenig auszubessern, auf die Suche nach einer neuen Software zu machen, ist häufig ein schlechter Ratgeber. Dabei verkennen Verantwortliche zwei Aspekte:
- Bestehende Prozesse sind häufig nicht die effizienteste Lösung für das grundlegende Problem, sondern sind in vielen Fällen einfach historisch gewachsen und wurden bisher schlicht nicht hinterfragt.
- Keine Software der Welt wird im Werkszustand dazu in der Lage sein, alle Prozesse exakt 1:1 so abzubilden, wie sie in Unternehmen X gehandhabt werden, denn Unternehmen Y macht es garantiert anders.
Dafür gibt es zwei Lösungsmöglichkeiten:
Variante A besteht darin, viel Geld dafür auszugeben, die Software so anzupassen, dass sie möglichst gut zu den bisherigen Prozessen passt. Mit diesem Vorgehen werden Sie vermutlich Ihre Mitarbeiter glücklich machen, lassen aber die Chance ungenutzt, Ihre Geschäftsprozesse zu verbessern.
Bei Variante B erarbeiten Sie gemeinsam mit dem Softwareanbieter und Ihren Mitarbeitern zunächst eine optimale Lösung für Ihre Prozesse. Dieses Vorgehen kostet Zeit und erfordert ein aktives Mitwirken Ihres Teams, bringt aber in der Regel deutlich bessere Ergebnisse mit sich.
Zielsetzung festhalten und Grobkonzept ausarbeiten
Um darauf optimal vorbereitet zu sein, sollten Sie sich zunächst darüber Gedanken machen, welches Hauptziel Sie mit der neuen Unternehmenssoftware erreichen möchten. Je konkreter, desto besser. Schreiben Sie das Ziel auf und knüpfen Sie es, wenn möglich, an eine konkrete Zahl, z. B.
Mit der neuen Unternehmenssoftware erstellen und versenden wir Rechnungen vollständig digital. Der monatliche Zeitaufwand für die Rechnungsstellung soll dabei um mindestens 50 % reduziert werden.
Im zweiten Schritt können Sie sich Gedanken darüber machen, mit welchem Konzept Sie dieses Ziel umsetzen möchten. Grob kann das wie folgt aussehen:
Frau Mustermann erzeugt neue Rechnungen online, das kann Sie auch im Home Office. Sie greift dazu auf vorgefertigte Layouts, Artikel und Preise zurück. Der Adressat der Rechnung wird automatisch aus der CRM-Datenbank übernommen. Fertige Rechnungen versendet sie direkt aus der Software per Mail. Auch Korrekturen und Stornos kann sie im System vornehmen und versenden.
Verlieren Sie sich bei Ihrem ersten Konzept nicht in technischen Details, sondern konzentrieren Sie sich stattdessen auf Nutzen und Ablauf. Machen Sie sich von den bisherigen Prozessen im Unternehmen frei und stellen Sie sich vor, wie Sie sich den Prozess im Idealfall vorstellen würden.
- Legen Sie ein konkretes Ziel fest, das Sie mit einer neuen Unternehmenssoftware erreichen möchten.
- Erarbeiten Sie ein grobes (!) Konzept, wie Sie dieses Ziel mit einer Unternehmenssoftware erreichen können.
2. Falsche Erwartungen bei der Softwareeinführung
Auch im Bereich Business-to-Business (B2B) ist gute Kommunikation extrem wichtig für den Erfolg einer Kundenbeziehung. Im Projektgeschäft gilt das besonders, denn Projekte scheitern häufig nicht an der Lösung an sich, sondern an mangelnder Kommunikation und falschen Erwartungen.
Erwartungen sind einseitige Verträge, von denen der andere nichts weiß.
– Karlheinz Wolfgang
Dieses Zitat von Karlheinz Wolfgang bringt zwei ganz wesentliche Fehler auf den Punkt:
- Auftraggeber kommunizieren Ihre Erwartungen nicht vollständig.
- Auftragnehmer erfassen Erwartungen nicht konkret genug.
Unabhängig davon, ob der Fehler eher auf Seite des Auftragnehmers oder des Auftraggebers liegt, führt diese Misskommunikation früher oder später zu Problemen. Besonders ärgerlich ist das, wenn es um die kostspielige Einführung einer neuen Unternehmens- oder ERP-Software geht.
Von stiller Post und schwarzen Petern
Häufig entstehen Erwartungen allerdings erst im Zusammenspiel zwischen Angebot und Nachfrage:
- Ein Interessent wünscht sich ein Softwaretool für eine bestimmte Aufgabe oder ein konkretes Problem und beschreibt seine Anforderungen.
- Der Softwareanbieter stellt eine Lösung vor, die seiner Meinung nach dazu geeignet ist, die Aufgabe bzw. das Problem zu lösen.
- Der Interessent verarbeitet den Lösungsvorschlag und passt wiederum seine Erwartungen an.
Je mehr Personen und je mehr Zwischenschritte in diesem Prozess vorhanden sind, desto größer ist die Gefahr, dass sich vollkommen unterschiedliche Erwartungen herausbilden. Jede Kommunikation ist mit einer Unschärfe behaftet, denn was der Anbieter versteht muss nicht genau dem entsprechen, was der Nachfrager meint und umgekehrt. Häufig ist es sogar so, dass Auftragnehmer und Auftraggeber zu Beginn ein unterschiedliches Verständnis haben und erst im Projektverlauf zueinander finden.
Viele kennen dieses klassische Bild1 aus dem IT-Projektmanagement. Es versinnbildlicht, wie mangelnde Kommunikation und falsche Erwartungen das Ergebnis eines Softwareprojekts ad absurdum führen.
Ein gewisses Maß an Unschärfe lässt sich nicht vermeiden. Deshalb sind folgende Punkte bei einer Softwareeinführung genau wie bei Projekten im Allgemeinen wichtig:
- Erwartungen möglichst klar äußern und festhalten.
- Erwartungen immer gegenspiegeln und sich rückversichern, dass alles richtig verstanden wurde.
- Den aktuellen Arbeitsstand regelmäßig und transparent mit den Erwartungen abgleichen.
3. Unklare Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten
Die Einführung einer neuen Software betrifft oftmals sehr viele Bereiche innerhalb eines Unternehmens. Das führt dazu, dass viele mitreden möchten, aber niemand verantwortlich ist. Das ist eine sehr unglückliche Ausgangslage für die Softwareeinführung, denn in der Regel führt es dazu, dass die Einführung abgebrochen oder nicht richtig zu Ende geführt wird.
Projektleiter festlegen, Zeit- und Kostenrahmen vorgeben
Deshalb sollten Sie von Beginn an den Projektleiter klar benennen. Er sollte über die Zeit und die nötigen Ressourcen verfügen, dass Projekt von Anfang bis Ende zu begleiten. Mindestens genauso wichtig ist dabei eine klare Zeit- und Budgetvorgabe. Ist kein Kostenrahmen abgesteckt, könnte sich das Projekt als sehr teuer erweisen. Fehlt die Zeitplanung, ist damit zu rechnen, dass sich das Projekt länger hinzieht als gewünscht. Achten Sie bei beiden Vorgaben auf realistische Größen. Kein Softwareprojekt ist kostenlos und nach zwei Wochen beendet.
IT-Abteilung vs. Lead User
Ein weiterer Fallstrick liegt häufig in der Frage, wer die Anforderungen an die Software definiert. Typischerweise stehen dabei zwei Abteilungen zur Wahl: Die IT-Abteilung und derjenige Bereich, der die Software voraussichtlich am intensivsten nutzen wird. Wir nennen ihn den Lead User.
Da beide Abteilungen ihren jeweils eigenen Blickwinkel und eigene Interessen bei der Softwareeinführung haben, laufen Sie schnell Gefahr, dass die Anliegen der jeweils anderen Seite zu kurz kommen. Übernimmt die IT-Abteilung die Führung können Sie mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass sich die neue Software gut in Ihre bisherige Systemlandschaft integriert. Ob sie den Nutzern allerdings auch in der täglichen Anwendung hilft, ist eine andere Frage. Kümmert sich im anderen Fall nur der Lead User um seine Belange, stellen Sie unter Umständen fest, dass es bei den Schnittstellen zu anderen Systemen hakt. Deshalb sollten Sie stets Verantwortliche beider Abteilungen in den Entscheidungsprozess einbeziehen.
- Benennen Sie einen geeigneten Projektleiter, der die gesamte Systemeinführung betreut.
- Geben Sie einen klaren und realistischen Zeit- und Budgetrahmen vor.
- Binden Sie sowohl die IT-Abteilung als auch den Lead User in die Entscheidung und die Einführung ein.
4. Widerstand gegen die Softwareeinführung
Die Einführung einer neuen Software erfordert ein systematisch Change Management. Damit werden Sie zwangsläufig Widerstände im Unternehmen hervorrufen, denn Menschen mögen Veränderung nicht. Das trifft in besonderem Maße auf Softwareeinführungen zu, denn ein neues Business System bringt grundlegende Veränderungen mit sich. Es lassen sich dabei zwei unterschiedliche Formen des Widerstands unterscheiden.
Offener Widerstand
Bei dieser Form des Widerstands bringen Mitarbeiter Ihre Bedenken offen zur Sprache. Konstruktive Kritik setzt darauf, Schwächen in der Software oder bei der Einführung anzusprechen und zu verbessern. Einige Mitarbeiter nutzen die Gelegenheit allerdings auch dazu, sich einseitig negativ zu äußern, um das gesamte Projekt abzuwenden („Das bringt eh nichts“).
Verdeckter Widerstand
Beim verdeckten Widerstand zeigen Mitarbeiter Ihre Missbilligung nicht offen gegenüber Vorgesetzten, sondern nur unter Kollegen oder in Ihrem Verhalten. Mitarbeiter versuchen dann, die Auftragsvergabe zu verlangsamen, indem sie immer wieder neue Anforderungen schaffen oder auf nebensächliche Anforderungen beharren. Wird das neue System bereits angewendet, halten sie sich nicht an neue Prozessvorgaben oder kritisieren mangelnde Schulung oder Benutzerfreundlichkeit.
Angst ist ein schlechter Ratgeber
Widerstand gegen neue Software liegt häufig in verschiedenen Ängsten der Mitarbeiter begründet. Je nach Rolle und Persönlichkeit kommen dabei ganz unterschiedliche Ursachen infrage:
- Angst vor Machtverlust: Neue Software macht Informationen in der Regel in Abteilungen oder dem gesamten Unternehmen zur Verfügung. Dadurch entzieht sie einzelnen Mitarbeitern scheinbar Ihre „Wissenshoheit“.
- Angst vor Überforderung: Neue Software erfordert meist umzudenken und sich an neue Prozesse und Bedienkonzepte zu gewöhnen. Langjährige Mitarbeiter haben sich allerdings in der Regel mit den bestehenden Geschäftspraktiken angefreundet. Sie fürchten sich davor, mit den Neuerung nicht klarzukommen und das vielleicht sogar zugeben zu müssen.
- Angst vor Kontrollverlust: Mit einer neuen Software halten in der Regel neue Prozesse und Verantwortlichkeiten Einzug. Mitarbeiter fürchten, dass Ihre Leistung dadurch transparenter wird und sie an neuen Maßstäben gemessen werden.
Dabei ist wichtig zu verstehen, dass sich Widerstände niemals von vorneherein ausschließen lassen. Das Erfolgsgeheimnis besteht vielmehr darin, sich ihrer bewusst zu sein und richtig damit umzugehen. Folgende Tipps helfen dabei:
- Sich bewusst machen, welche Widerstände auftreten, ihre Ursachen ausmachen und Gegenargumente entwickeln.
- Dem gesamten Team die Möglichkeit geben, Ideen, Kritik und Feedback zu äußern.
- Ruhig, sachlich und wertschätzend mit Mitarbeitern über Ihre Ängste und Bedenken sprechen.
- Die Einführung einer neuen Unternehmenssoftware immer mit ausreichend Schulungen begleiten, die sich ganz auf einzelne Abteilungen konzentrieren.
5. Das Dilemma geteilter Ressourcen
Anhand einer Reihe von Experteninterviews stoßen Stefan Tretter und Sarah Diefenbach1 von der LMU München auf einen interessanten Effekt neuer Software, den sie das „Dilemma gemeinsamer Ressourcen“ nennen. Diesen Effekt stellen wir im Folgenden vor:
Informationen teilen und herrschen
Eine neue Unternehmenssoftware dient häufig dazu, unternehmensinterne Prozesse einfacher und effizienter abzuwickeln. Damit das funktionieren kann, müssen in der Regel Daten eingespielt und gepflegt werden. Nur dann profitieren alle Anwender davon und Arbeitsabläufe werden tatsächlich einfacher. Gerade die Datenpflege erscheint aber oft lästig und bringt auch keinen direkten Vorteil für den Anwender mit sich. Am Beispiel eines CRM-Systems lässt sich dieser Effekt gut veranschaulichen.
Einer der wesentlichen Vorteile einer CRM-Software besteht in der digitalen Kundenhistorie. Darin können alle Interaktionen mit dem Kunden erfasst und später nachvollzogen werden. Nach einem längeren Kundentelefonat ist es für einen Support-Mitarbeiter allerdings nur wenig verlockend, das Gespräch noch einmal zu reflektieren und den Inhalt digital festzuhalten, zumal dem Kunden ja anscheinend geholfen wurde.
Häufig folgen allerdings weitere Kontakte, bei denen auch andere Mitarbeiter beteiligt sind. Idealerweise sollten diese auf dem gleichen Kenntnisstand sein, wenn sich der Kunde erneut meldet. Der Support-Mitarbeiter, der den Kunden zuvor betreut hat, weiß zwar vom zugrundeliegenden Problem und der vorgeschlagenen Lösung, sein Kollege allerdings nicht. Muss dieser daraufhin erst einmal vom Kunden aufgeklärt werden, wirkt das in hohem Maße unprofessionell.
Die richtigen Anreize setzen
Leider ist derjenige Mitarbeiter, der eine Information teilen müsste, in der Regel nicht zugleich derjenige, der am meisten davon profitiert. Jeder Einzelne ist daher verleitet, wenig Arbeit in die Dokumentation zu investieren, aber einen möglichst großen Nutzen daraus zu ziehen. Folgt ein zu großer Teil des Teams dieser Tendenz, wird am Ende das ganze System nutzlos.
Das führt Tretter und Diefenbach zu einer simplen Schlussfolgerung:
„Das System wird nicht genutzt, weil das System nicht genutzt wird.“
Ein nicht gepflegtes System hilft Mitarbeitern nicht weiter, weshalb sie es auch nicht weiter pflegen. Die gleiche Spiral kann allerdings auch ins Positive verkehrt werden. Empfindet der individuelle Nutzer Informationen im System als hilfreich, ist er auch eher dazu bereit, selbst Daten einzupflegen. Um diesen Effekt zu nutzen, sollte die Einführung einer neuen Software immer von Anreizen begleitet werden, es aktiv und gewissenhaft zu pflegen. Dazu sind verschiedene Mechanismen geeignet:
- Mitarbeiter spielerisch für ihre Dokumentation belohnen, z. B. mit einem Punktesystem für kostenlose Getränke (Gamification)
- Das Einpflegen von Informationen möglichst einfach gestalten, z. B. durch eine intuitive Bedienung und automatisch vorausgefüllte Daten.
- Sicherstellen, dass Mitarbeiter schnellen und einfachen Zugriff auf Informationen haben, die sie benötigen, z. B. durch Lesezeichen oder eine Suchfunktion
- Sich auf wichtige Informationen beschränken, z. B. durch ein Rechtesystem, das Informationen nur denjenigen Nutzergruppen zugänglich macht, für die die Daten relevant sind.
Beratung bei der Einführung einer neuen Unternehmenssoftware
Als Digitalberatung und Softwareanbieter mit über 20 Jahren Erfahrung kennen wir die Herausforderungen bei der Einführung einer neuen Softwarelösung gut. Sprechen Sie gerne unser Beratungsteam an. Wir helfen Ihnen bei der Planung und Umsetzung Ihres Digitalisierungsvorhabens.
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1 Tretter, S. & Diefenbach, S., (2016). Von der Datenverwaltung zur erfolgreichen Kommunikation – UX-Design für Customer-Relationship-Management (CRM) Systeme aus psychologischer Perspektive. In: Hess, S. & Fischer, H. (Hrsg.), UP 2016. Aachen: Gesellschaft für Informatik e.V. und die German UPA e.V. DOI: 10.18420/muc2016-up-0045